Vorweg…
Wir werden häufig gefragt, „Wie lange macht ihr das?“, „Wie war das doch früher?“ und „Habt ihr zu DDR-Zeiten schon Disco gemacht?“ und, und, und…
Auf diese und alle weiteren Fragen möchten wir allen, die es interessiert, eine Antwort geben, und von Zeit zu Zeit ein kleines Update anfügen. Es gibt viel zu erzählen, Bilder werden wir zukünftig auch noch reinbringen.
Die frühen Zeiten, in der Schule
Eigentlich fing alles schon in der Schule an! 1978 sind wir mit Koffern, alten Auto-Scheinwerfern, einem Mischpult der Marke Robotron (Disko 2000), zwei Kassetten-Recordern und einer Verstärkeranlage losgezogen und haben die erste Schul-Disko durchgeführt.
Es war so schön harmlos! Hauptsache der Speisesaal war dunkel, rote, gelbe, grüne und blaue Lampen (ca. 40Watt) reichten aus um dem Speisesaal unserer Schule einen ganz besonderen Glanz zu verleihen.
„Hinter“ der Disko versammelten sich gefühlter Maßen genauso viele Leute wie „davor“. Die dahinter waren angesagt!
Dann ging es los:
Musik ab „Focus, House Of The King“ war die Start-Melodie, das Intro
Mikro auf und…
„Einen schönen guten Abend liebe Freunde…“
brrrrrr – Wie haben wir uns gefühlt!
Dann ging alles sehr schnell, aus heutiger Sicht – leider…
Erste Schritte auf größerem Terrain
In der Berufsschule (Postschule Karl-Marx-Stadt) gab es einen hervorragenden Disko-Keller. Der war von findigen Fernmelde-Lehrlingen eingerichtet und ausgebaut worden – Mittwoch war immer Disko.
Zu dieser Zeit war alles noch ganz harmlos, etwas ernster sollte es werden, als wir in die nächste Disko zogen – dem damalige Jugendklub der Barkas-Werke Karl-Marx-Stadt.
Jugendklub „BC70“, Barkas-Werke
Im damaligen Jugendklub der Barkas-Werke konnte ich meine Ambitionen weiter ausbauen. Durch die Verbindungen eines großen Betriebes zur Kultur konnte man erheblich profitieren und überhaupt den Fuß in die Tür bekommen, einen der begehrten Disko-Lehrgänge zu ergattern. Übrigens, den Speisesaal in den Barkas-Werken (jetzt VW) gibt es heute nicht mehr.
Der Ernst begann: Diskothek in der DDR
Im April 1981 erlangte ich die staatliche Spielerlaubnis für Schallplattenunterhalter.
Unter dem Pseudonym „Phonodrom-Diskothek Karl-Marx-Stadt“ traten wir in der damaligen DDR auf.
Diskothek in der DDR war ein Abenteuer. Um einen Lehrgang besuchen zu können musste man „delegiert“ werden. D.h. man benötigte einen Sponsor. Das waren in der Regel VEB-Betriebe mit einem eigenen Kulturhaus, Jugendklubs oder Pionierhäuser (usw.). Ich hatte das Glück im damaligen Jugendklub BC70 des VEB Barkas-Werke Karl-Marx-Stadt eine dieser begehrten Delegationen für einen Diskolehrgang zu bekommen.
„Fächer“ wie Kulturtheorie, Politik und Ästhetik, Sprachausbildung, Atemübungen, Grundsätze des damaligen Vertragswesens waren nur einige Punkte der Ausbildung. Der Lehrgang endete mit einer theoretischen Prüfung und der ersten Einstufungsveranstaltung.
Die DDR hatte ihre „Schallplattenunterhalter“ fest im Griff. Alle 2 Jahre musste die Einstufung wiederholt werden. Damit wurde dann auch die Spielerlaubnis verlängert bzw. erhöht.
Exkurs: Einstufungen/Gagen
In der DDR gab es 4 Amateurstufen:
Stufe A – 5 Mark / Stunde (Grundstufe)
Stufe B – 6,50 Mark / Stunde (Mittelstufe)
Stufe C – 8,50 Mark / Stunde (Oberstufe)
Stufe S – 10,50 Mark / Stunde (Sonderstufe)
Die Stufen ließen u.a. nicht nur auf Qualität von Anlage und Diskoprogramm (Konzept) schließen, sondern z.T. auch auf … Verlässlichkeit. Denn Loyalität war für einen Diskomoderator erste Voraussetzung.
Zum „Stufenentgelt“ kamen dann jeweils noch 15,- Mark Tonträger und 25,- Mark Anlagenentschädigung dazu. Die sog. Zusatztechnik wurde 1982 per Gesetz abgeschafft.
Zum Vertrag kamen dann noch die Fuhrkosten hinzu. Auslagen für Spielrunden, Schallplatten und ähnliche Quittungen wurden i.d.R. erstattet.
Die Veranstalter gaben diese kleinen Zugaben gern, wenn der Laden lief.
Apropos Spiele, was wir damals gespielt haben hier…
Ihr müsst sie im Griff haben…
An diesen Ausspruch eines damaligen Dozenten unseres Lehrganges im Fuchsbau (damals Jugendklub der TU) kann ich mich noch gut erinnern. Dieser Dozent hatte in Chemnitz noch Jahre nach der Wende eine hohe Funktion in der Stadtverwaltung inne. Durch die damalige Kulturpolitik der DDR wurde fast alles reglementiert und in ein dem System passendes Gewand gepresst. Spielräume gab es relativ wenig. Der sonst so triste sozialistische Alltag bekam durch ein ausgeklügeltes Jugend- und Freizeitklub-System etwas Farbe. Die Staatsmacht mit seiner Mangelwirtschaft ließ seine Bürger, Junge wie Alte, unterhalten und damit die Sorgen vergessen. Hier spielten FDJ, Klubs der Volkssolidarität, Volks- und Kulturhäuser eine entscheidende Rolle. Die Schallplattenunterhalter von damals nahmen in der Kulturpolitik einen wichtigen Platz ein, sie waren Entertainer und das Sprachrohr auf unterster Ebene. Hier hatte man die Basis im Auge. Die Schallplattenunterhalter wurden zu Veranstaltungen der Räte der Bezirke, bei FDJ-Großveranstaltungen, für Partei- und Betriebsfeste verpflichtet. Die Einstufungsveranstaltungen mit ihrer strikten Einhaltung 60:40, Gesellschaftsspielen und Programmeinlagen waren sozusagen Generalproben. Hier zeigte sich, wer in der Lage war, dass Publikum linientreu bei der Stange zu halten. Für diese Einstufungsveranstaltungen mussten bis ins Detail ausgearbeitete Programme erstellt, vorgeführt und mit der Einstufungskommission ausgewertet werden. Wer es fertigbrachte, sein Publikum mit 60% DDR (Ost)-Musik bei Laune zu halten, der war auch in der Lage, eskalierende Situation fest im Griff zu haben.
Für das Privileg als Diskomoderator zu arbeiten, ließen sich manche DDR-DJ’s auf zweifelhafte Deals mit den Staatsorganen ein. Ob die das heute noch wissen?
Unsere Technik…
Die normalen Veranstaltungen (außerhalb dieser Einstufungen) in Klubs liefen in der Regel wie anderswo auch ab: Gute Klubs verfügten über eingebaute Licht- und Tonanlagen. Die DJ’s hatten darüber hinaus Lautsprecher von EV, Shure-Mikros, bemalte Bretter (Leuchteffektfarben) die mit Schwarzlicht (Quarzlampen) angestrahlt wurden. Gute Technik war teuer und kam aus dem Westen. Da konnte man für eine komplette Anlage schon mal auf 10 bis 15 Tausend DDR-Mark hinblättern. Eine Möglichkeit, ohne teure West-Technik auszukommen war der Einsatz von Verstärkeranlagen aus Klingenthal. Effektivität und Sound reichten natürlich nicht an vergleichbare Westanlagen heran. So blieb dann noch der Eigenbau.
Quoten
In der DDR galt die Quote 60/40. Das heißt 60% der Musik, die gespielt wurde, musste von einem Komponisten kommen der innerhalb der DDR bzw. seinen Wohnsitz im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) hatte.
Die restlichen 40% der Musik entfielen auf Titel, die mit dem Plattenlabel AMIGA (Aufdruck AWA) vertrieben wurden bzw. in der Podiums-Diskothek auf Jugendradio DT64 explizit für die Diskomoderatoren bereitgestellt wurden.
Damals waren die „Schallplattenunterhalter“ selbst verantwortlich für die Lizenzierung ihrer Titel und das Abführen der AWA-Lizenzgebühren.
Ab ca. 1980 gab es Pauschal-Lizenzen (Höhe weiß ich nicht mehr) und ab ca. 1984 gab die AWA Jahresgeneral-Lizenzen aus. Diese kostete den Schallplattenunterhalter 250,- Mark und man musste keine Titel-Listen pro Veranstaltung erstellen. Pauschale Jahreslisten waren ausreichen.
Einstufungsveranstaltungen
Jeder Schallplattenunterhalter hatte sich alle 2 Jahre der Verlängerung seiner Spielerlaubnis zu stellen. Eine 3-4 köpfige Kommission war bei diesen Veranstaltungen zugegen und bewerteten den Schallplattenunterhalter. Vor diesen Veranstaltungen war es Pflicht, im Vorfeld Konzepte zu fertigen, 60/40-Quote einzuhalten und möglichst professionell rüberzukommen.
Weiter, Mucken in den 80ern…